Waffen!

Ständig muss man sich rechtfertigen. Immer noch. Jedes Feuilleton schreibt über Videospiele, doch die Vorurteile in der Bevölkerung sitzen tief. „Ist doch nur Geballer!“ Egal, wie viele künstlerische und handwerkliche Aspekte zusammenkommen, um so ein multimediales Werk zu schaffen, egal wie berührend die Geschichte – Videospiele sind Moorhuhn. Ich führe diese Gespräche nicht mehr defensiv, sondern greife an voller Optimismus und Überzeugung. Wer Videospiele noch immer per se belächelt, ist nicht ernst zu nehmen. Niemand muss sie spielen, aber behaltet euren Käse für euch. Ich spiele RiME und Hollow Knight und God of War und Life is Strange und ihr seht nur Waffen.

Aber auch für die Waffen rechtfertige ich mich nicht mehr. Lasst uns über Waffen reden. Geile Waffen in Videospielen. Los geht’s.

Unbestreitbar die beste Waffe, die je in ein Videospiel Einzug gefunden hat ist der Cerebral Bore. Und jetzt denken natürlich alle wieder an die Brutal-Death-Metal-Band aus Glasgow, aber woher hat die ihren Namen? Natürlich von der gehirnbohrenden Waffe aus der Turok-Reihe. Da sieht man mal, welchen Einfluss Videospiele inzwischen auf die Hochkultur haben. Was hab ich mich gefreut, wenn mir im Multiplayer so ein Ding in die Hände oder wahlweise Klauen geriet. Wie der Stachelpanzer aus Mario Kart flog der Bohrer aus der Mündung des Gehirnbohrerwerfers, suchte sich zielgenau den Kopf eines Gegners, klammerte sich dort fest und bohrte… nun… das Gehirn kaputt. Das Entsetzen der Mitspieler:innen auf der Couch, wenn ich einen eingesammelt hatte, die ziemlich lange Todesanimation (schütteln, zucken, kollabieren, reglos daliegen), und vor allem die Tatsache, dass das Ding Cerebral Bore hieß. Mario-Kart-Schadenfreude-Level, aber mit Gore: einfach wunderbar.

Nur noch kurz die Todesanimation abwarten, dann speichern und Abendbrot

Aber nur, weil man schon den eindeutigen Sieger gekürt hat, gibt es keinen Grund, nicht noch weitere hervorragende Mordinstrumente zu würdigen. Da wäre das Superschaf aus den Worms-Spielen. Ähnliche Situation: Alle warten in Angst, wenn es losfliegt. Ein lebendiges Schaf, vollgestopft mit einer fetten Bombe, das ferngesteuert seinen Weg über die ganze Map bis dorthin findet, wo sich besonders feige Würmer verschanzen. Es freut sich auf die Mission und gibt beim Abflug ein fröhliches „Mäh!“ von sich, so wie Shaun das Schaf am Ende einer Folge, wenn alles wieder gut ist. Aber für das Superschaf ist nicht alles gut. Das Superschaf zerfetzt. Im Gegensatz zum Hirnbohrer war das Schaf aber nicht immer zielsicher und die lustigsten explodierenden Schafe waren frühzeitig explodierende Schafe. Der komische Antiklimax nach gespannter Erwartung eines vernichtenden Schachzugs.

Und wo wir schon beim Stachelpanzer sind – der gehört natürlich nicht zu den besten Waffen, weil er schon nach seiner Einführung in Mario Kart 64 viel zu mächtig wurde. Ganz anders sein unscheinbarer kleiner Bruder, der grüne Schildkrötenpanzer! Während einer ausgedehnten Kurve im Powerslide den optimalen Winkel treffen, Abstand und Geschwindigkeit berücksichtigen und einen Treffer ohne die billige Zielsuch-Technologie des roten Counterparts zu landen – ein Genuss. Man fühlt sich so mächtig, dass man vergisst, dass man mit Toad durch ein quietschbuntes Spaßland fährt.

Ich könnte noch siebenundachtzig weitere Waffen preisen. Das Adrenalin kriecht mir in die Fingerspitzen. Doch dieser Blog hat kurze Texte! Und deshalb muss ich daraus vielleicht eine Reihe machen. Reihen sind fast so gut wie Waffen. Komm, eine geht noch. Nicht das Snipergewehr aus Unreal Tournament. Nicht die Gravity Gun aus Half-Life 2. Nicht den Kuhwerfer aus diesem schlechten South-Park-Spiel. Ich präsentiere stattdessen: killer7s Con Smith. Con Smith hat keine Waffen, er ist eine Waffe. Seine beiden Pistolen sind Körperfunktionen. Er hält sie schräg. Beide. Übereinander. Ohne Grund. Er ist so geformt. Alles passiert in einer flüssigen Bewegung. Laufen, Ballern, Nachladen. „Fuck you“ sagen. Con Smith ist blind. Waffen brauchen keine Augen.


Es lohnt sich, die facettenreiche Frage zu stellen, welche Art von Gewaltdarstellung in Videospielen problematisch ist. Ich habe dazu keine abgeschlossene Haltung, aber die Beschäftigung damit bringt mich weiter. Was ich dabei nie verleugnen würde, auch weil es Teil des Problems ist: Die vielen Momente, in denen ich Freude mit virtueller Gewalt hatte. Weil sie lustig, spektakulär oder auch tatsächlich aufregend ist. Und das ist OK, solange man nicht aufhört, sich damit auseinanderzusetzen. Vielleicht stelle ich hier bald ein paar weitere Waffen vor. Oder ich setze mich mit dem Thema moralisch auseinander. Man weiß nie, was bei WALL JUMP passiert.

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