Warum gibt es Krieg?

In wunderschöner Comic-Optik erzählt Valliant Hearts: The Great War eine Geschichte über den Ersten Weltkrieg. Es geht nicht um die Gründe und auch nicht um den Ausgang. Diese beiden Aspekte werden meist im Geschichtsunterricht in der Schule sehr ausführlich beleuchtet. Dieses Adventure aber konzentriert sich auf die Menschen und das vom Krieg verursachte Elend. Es erzählt von einer gewissen Leichtigkeit, die noch zum Beginn des Krieges herrschte, der schon bald ganz Europa erfasste. Manchmal subtil und manchmal deutlich wirst du auf die Schrecken gelenkt – etwa dann, wenn erwähnt wird, dass man irgendwann nicht mehr damit nachgekommen ist, die Toten zu identifizieren.

In der Mischung aus historischen Fakten und gespielter Handlung wurden mir auch sehr eindringlich die verheerenden Folgen des Einsatzes von vollautomatischen und chemischen Waffen verdeutlicht. Es ist die Stärke des Mediums, bei der Vermittlung von Wissen besonders intensiv und damit nachhaltig zu wirken.

Doch es war der Schluss, der mich hat in Tränen ausbrechen lassen. In einer Szene als ich ein paar letzte Soldaten zusammentrommeln sollte für eine Offensive in einem der vielen sinnlosen Grabenkämpfe, fallen meine Kameraden wie die Fliegen. Und als ich dann vor meinem Kommandanten stehe, verweigere ich nicht einfach nur meinen Dienst. Nein, ich töte den Menschen, der einfach immer weiter zum Angriff geblasen hat. Trotz der simplen Präsentation war ich emotional sehr aufgebracht. Und irgendwie war trotzdem auch sehr erleichtert. Ich war erlöst.

Ich weiß bis heute nicht, ob ich mich eigentlich in dieser Situation hätte auch anders entscheiden können. Das, was ich tat, war eine ganz natürliche Reaktion. Ich wollte das nicht mehr. Ich wollte keinen Krieg mehr. Ich wollte nie wieder Krieg.

Der Charakter im Spiel wurde in Frankreich als Deserteur nach Kriegsende hingerichtet. Auch das ein grausamer Fakt über diesen, aber auch viele andere Kriege. Zu meinen Tränen kam nun auch Wut. Warum gibt es Krieg? In diesem Moment ging mir das Verständnis dafür einfach verloren. Warum gibt es Krieg? Ich kenne natürlich viele Erklärungen. Ich kenne Umstände. Ich kann all das nachvollziehen und manchmal sogar in Diskussionen mit eigenen Worten wiedergeben. Doch warum gibt es Krieg? Ich kann es einfach nicht mehr verstehen.

Zum 100. Jahrestag des Ersten Weltkriegs entwickelte Ubisoft Montpellier ein besonderes Spiel. Das Studio, das übrigens auch für Rayman und Beyond Good & Evil verantwortlich ist, schuf ein diesem Ereignis würdiges Adventure, das in den Fokus rückt, was wir nach dieser langen Zeit nie vergessen sollten: Es war ein industrieller, ein schrecklicher Krieg. An Krieg gibt es nichts Gutes. Krieg kennt keine Gewinner. Ich war schockiert darüber, dass mir diese Schrecken nie zuvor bewusst geworden sind. Und Valliant Hearts: The Great War bestärkte mich in meiner pazifistischen Grundhaltung.

Es ist kaum vorstellbar, dass Menschen nur ein paar Jahre später ganz ernsthaft einen weiteren angezettelt haben. Das war damals wie heute eine schockierende Erkenntnis. Und ebenso unvorstellbar ist es, dass auch heute Menschen weiter Krieg führen. Sie führen Krieg, obwohl sie es besser wissen müssten.

Und wenn ich in Hamburg im Planten un Bloomen vor dem Denkmal stehe, das das Infanterieregiment 76 ehrt, welches im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 sowie dem Ersten Weltkrieg kämpfte – ein Klotz hingestellt 1936 von den Nazis, auf dem geschrieben steht „Deutschland muss leben, auch wenn ich sterben muss“ – dann denke ich: „WTF! Ich oder Deutschland müssen sterben? Dann lieber Deutschland.“

Nie wieder Krieg.


Valliant Hearts: The Great War erschien 2014 für PC, PS3, PS4, Xbox 360 und Xbox One — 100 Jahre nach Beginn des Ersten Weltkriegs. Das Spiel ist kurz danach ebenfalls für iOS und Android erschienen. Und seit 2018 gibt es das Adventure auch für Nintendo Switch – 100 Jahre nach Kriegsende. Wenn über ernsthafte Spiele gesprochen wird, die in jedem Schulunterricht eine Rolle spielen sollten, dann ist Valliant Hearts: The Great War ganz vorn mit dabei.

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