JIŘÍ RÝDL

Kingdom Come: Deliverance wurde auf ungewöhnlich weise produziert: Anstatt das Spiel von großen Banken oder großen Publishern zu finanzieren, sprach der kleine Entwickler aus der Tschechischen Republik direkt mit den Leuten, die sich am meisten interessieren könnten: Videospielfans! Kingdom Come: Deliverance, eine der ersten großen Erfolgsgeschichten im Bereich Crowdfunding, hat nicht nur zahlreiche Bestwertungen abgeräumt, sondern wurde Hand in Hand mit seinen Fans und der Community entwickelt. Wir sprachen mit Jiri Rydl, dem Kommunikationsleiter des Entwicklers Warhorse Studios aus Prag, über diesen Prozess.


Wall Jump: Jiří , wer hatte eigentlich die Idee, euren Investor durch eine Kickstarter-Kampagne zu überzeugen, Geld in die Spielentwicklung von *Kingdom Come zu stecken?

Jiri Rydl: Das war Dan (Anm. d. Red.: Daniel Vávra, Creative Director), er hatte die Idee mit Kickstarter.

Wall Jump: Wie seid ihr denn auf den Betrag gekommen, mit dem die Kampagne zum Erfolg wird? Wurde das mit eurem Investor ausgehandelt?

Jiri Rydl: Unsere ursprüngliche Idee war ziemlich einfach: Es war schlicht die letzte Möglichkeit, zu beweisen, dass unser Konzept gut ist und die Idee Erfolg haben kann. Wir wussten, dass es unmöglich sein würde, genug Geld für die Entwicklung eines AAA-Spiels zusammen zu bekommen. Daher haben wir uns nach einer kurzen Diskussion mit unserem Investor darauf geeinigt, dass der zu erzielende Betrag ungefähr 10% der gesamten Entwicklungskosten decken sollte. Das war genug Geld, um zu zeigen, dass es mehr Leute wie uns gibt, die solche Spiele ohne Einschränkungen spielen wollen.

Wall Jump: Wie hattet ihr eure Entwicklung zuvor finanziert?

Jiri Rydl: Vor Kickstarter? Komplett durch unseren privaten Investor.

Wall Jump: Was hat euch die Zuversicht gegeben, *Kingdom Come auf Kickstarter zu bringen?

Jiri Rydl: Das waren etwa Spiele wie Wasteland, Star Citizen oder Double Fine Adventure.

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Kingdom Come: Deliverance auf Kickstarter

Wall Jump: Was hattet ihr denn überhaupt erwartet und wie hättet ihr weiter gemacht, wenn ihr nicht den vollen Betrag über Kickstarter erzielt hättet?

Jiri Rydl: Nun ja, unsere Erwartungen waren natürlich die 360.000 Euro… (lacht). Die nackte Wahrheit ist tatsächlich, dass wir ohne die Unterstützung unserer Backer das Projekt eingestellt hätten.

Wall Jump: Wie die Entwickler-Community eigentlich reagiert, als ihr die Crowdfunding-Kampagne angekündigt habt?

Jiri Rydl: Unsere Kollegen aus der Spielebranche waren erst mal natürlich etwas erstaunt, haben uns dann aber großartige Unterstützung geboten – viele sogar mit ihrem Geld! Die tschechische Republik ist ein kleines Land und wir bekämpfen uns hier ja nicht. Vielleicht mögen wir unterschiedliche Spiele, aber wir arbeiten alle in einer tollen Industrie und wünschen jedem nichts als Erfolge!

Wall Jump: Und wie wurde die Crowdfunding-Kampagne in eurem Studio aufgenommen? War jeder sofort Feuer und Flamme oder war es einfach eine verzweifelte Tat ohne echte Alternative?

Jiri Rydl: Guter Punkt! Wir haben immer daran geglaubt, dass *Kingdom Come: Deliverance ein tolles Spiel mit einem großartigen Konzept ist und nur die Angst vor Neuem zwischen den Warhorse Studios und den Publishern stand. Aber Geschäft dreht sich nicht um Glaube, sondern um Geld. Und wenn du viel Geld in ein Projekt investieren musst, benötigst du den Beweis vom Markt. Und den haben wir nun!

Wall Jump: Denkt ihr, dass es als europäisches Unternehmen schwerer als für US-Firmen ist, Geld über Crowdfunding –Kampagnen wie etwa auf Kickstarter zu bekommen?

Jiri Rydl: Ich glaube, unser einziger Nachteil in Europa ist es, dass wir auf der anderen Seite des Atlantiks nicht besonders bekannt sind. Wir haben den Luxus, mit Dan Vávra den Erfinder eines so bekannten Spiels wie Mafia an Bord zu haben – das sogar eine ganze Reihe Spiele in einer bestimmten historischen Epoche geprägt hat. Fans aus der ganzen Welt kennen Dan und haben seinem neuen Projekt Vertrauen geschenkt.

Ein historisch akkurates Spiel ohne Drachen, Elben oder Hobbits? Mach dich nicht lächerlich!

Jiri Rydl

Wall Jump: Warum seid ihr eigentlich mit keinem Publisher ins Geschäft gekommen?

Jiri Rydl: Ein historisch akkurates Spiel ohne Drachen, Elben oder Hobbits? Mach dich nicht lächerlich!

Wall Jump: Die Publisher wollten also mehr Fantasy-Elemente in eurem Spiel. Warum wolltet ihr auf keinen Fall von eurer originären Vision abweichen – selbst, wenn das bedeutet hätte, das Spiel gar nicht zu entwickeln?

Jiri Rydl: Wir wollten einfach keine Kompromisse machen. Wir glauben, dass es nicht der richtige Weg zu einem erfolgreichen Spiel ist, andere Ideen zu kopieren.

Wall Jump: Wie lange dauert es denn, ein Spiel bei Publishern erfolgreich zu pitchen?

Jiri Rydl: Ich bin mir ziemlich sicher, dass in weniger als sechs Monaten keine Einigung erzielt wird, viel eher dauert es zwölf Monate. Man trifft den Publisher zum ersten Mal auf der E3 und tauscht Visitenkarten aus, dann vielleicht erneut auf einer Game Developer Session, wo man eine technische Demo zeigt. Nach einigen weiteren Monaten voller Diskussionen zeigt man eine weitere Demo… die Frage ist also, ob man dafür genug Zeit hat und auf die endgültige Unterschrift warten kann.

Wall Jump: Wie nah ward ihr denn zumindest an einem Deal mit einem Publisher?

Jiri Rydl: Man weiß es nie so richtig. Bevor die Unterschrift auf dem Papier ist, hast du nichts.

Wall Jump: Könnt ihr euch vorstellen, in der Zukunft wieder mit einem Publisher zusammenzuarbeiten oder glaubt ihr eher, dass es ein erfolgreicheres Modell sein wird, das Interesse der Kunden auszuloten, Investorengelder zu generieren und so unabhängig entwickelte Spiele zu finanzieren?

Jiri Rydl: Letzteres! Es gibt bereits mehrere AAA-Spiele ohne Publisher auf dem Markt, sieh dir nur Star Citizen an! Manchmal kann ein Entwickler auch der Publisher werden, wie etwa bei Rovio Stars oder Steam von Valve.

Wall Jump: Würdet ihr kleinen, finanziell abhängigen Entwicklern raten, auf alle Fälle unabhängig zu bleiben oder, sofern möglich, doch einen Publishing-Deal abzuschließen?

Jiri Rydl: Beide Seiten bergen Risiken. Wenn du vom Publisher abhängst, wird es vielleicht schwierig, ihn davon zu überzeugen, etwas Neues zu wagen. Wenn du unabhängig bist, kannst du tun, was du willst – gleichzeitig wirst du aber genau von deinen Unterstützern beäugt, den Fans oder Spielern. Und du musst sie überzeugen, dass dein Spiel würdig ist – auch das kann eine große Herausforderung sein.

Man sollte erst die Aufmerksamkeit suchen, wenn man zumindest ein wirklich gutes Spielkonzept als Demo vorführen kann, irgendetwas, das Spaß macht. Aber das ist nur meine Meinung.

Jiri Rydl

Wall Jump: Bei Warhorse arbeiten viele erfahrene Spieleentwickler und ihr hattet bereits Kapitel von einem externen Investor. Basierend auf euren Erfahrungen, wann sollten kleine Teams mit ihren Projekten an die Öffentlichkeit gehen, um die nötige Unterstützung für ihr Spiel zu erhalten?

Jiri Rydl: Nun, gerade für kleine Teams kann das tatsächlich problematisch sein. Wir hatten Glück, die Ressourcen zu haben, eine Tech-Demo zu entwickeln. Es ist ziemlich schwierig, ein gutes Spiel anhand einiger Ideen zu erkennen. Man sollte erst die Aufmerksamkeit suchen, wenn man zumindest ein wirklich gutes Spielkonzept als Demo vorführen kann, irgendetwas, das Spaß macht. Aber das ist nur meine Meinung.

Wall Jump: Glaubt ihr, dass kleine Entwickler, die ihre Projekte über Crowdfunding-Plattformen finanzieren wollen, unter den dort nun ebenfalls stattfinden AAA-Produktionen leiden?

Jiri Rydl: Überhaupt nicht, wir richten uns an ganz unterschiedliche Zielgruppen. Es gibt Leute, die nicht mehr als 5$ für ein Spiel zahlen wollen, aber dann auch wieder die, die sich Collector’s Editionen mit echten Schwertern kaufen wollen…kein Grund zur Sorge, je mehr Optionen die Spieler haben, umso besser ist es doch!

Wall Jump: Ist Kickstarter auf Sicht eine echte Option, Spiele zu finanzieren und Interesse für Geldgeber zu schaffen oder ist das nicht doch nur ein aktuelles Phänomen?

Jiri Rydl: Offen gesagt, ich habe keine Ahnung. Als ich die Geheimnisse des Internets vor gut 15 Jahren erschlossen habe, war Marc Zuckerberg noch ein Teenager, und er hat das ganze Internet geändert! Ich mag die Idee hinter Kickstarter oder der tschechischen Version Startovacz.cz, aber es gibt natürlich auch Limitationen. Ich glaube, Business Angels und selbst die Publisher werden in Zukunft ihren Platz auf diesen Plattformen finden, aber es wird alles etwas anders aussehen.

Wall Jump: Hat sich denn eure Planung oder vielleicht sogar der Aufbau des Studios durch das Feedback der Crowdfunder – eurer Community – verändert?

Jiri Rydl: Wir hören unserer Community aufmerksam zu und konnten einige Ideen in die Designdokumente integrieren!

Wall Jump: Ihr arbeitet mit Chris Roberts Space Industries zusammen, um Assets wie Technologie und Grafiken auszutauschen. Wer hat hier den Kontakt hergestellt und ist das nur möglich, weil kein Dritter wie eben ein Publisher involviert ist?

Jiri Rydl: Wir wurden von Chris über unsere Freunde bei Crytek kontaktiert, also würde der Kontakt vielleicht sogar über einen Publisher zustande kommen, da es einfach eine richtig gute Möglichkeit ist, technische Informationen zwischen beiden Teams auszutauschen. Wir können das Spiel so noch besser machen und sind Chris und seinem Team für jede Hilfe dankbar!

Wall Jump: Konntet ihr den Crowdfundern einen detaillierten Einblick geben, wie ihr Geld in der Entwicklung eingesetzt wurde? Werden mit ihrem Geld auch andere Bereiche finanziert?

Jiri Rydl: Wir müssen ein paar Steuern zahlen, wir müssen Gebühren an Kickstarter abdrücken und natürlich auch die Collector’s Editionen produzieren. Hast du schon mal 150 Schwerter angefertigt (lacht)? Zum Glück hatten wir genug Geld übrig, all die versprochenen zusätzlichen Inhalte zu entwickeln: Die weibliche Figur, den Begleithund, Motion-Capturing, den Orchester-Soundtrack und viel mehr.

Wall Jump: Wie viel haben eure Unterstützer im Einzelnen ausgegeben – wie viel im Durchschnitt, was war das Maximum?

Jiri Rydl: Wir haben 1.336.170 Euro von 35.158 Crowdfundern erhalten – also gut 38 Euro pro Person. Den höchsten Betrag haben gleich drei Leute ausgegeben: Stolze 6.000 Euro!

Wall Jump: Mal abgesehen von *Kingdom Come: Welches Spiel sollte man derzeit unbedingt auf Kickstarter unterstützen?

Jiri Rydl: Star Citizen!

Wall Jump: Danke für deine Zeit!


Jiri Rydl ist Marketing Manager bei Warhorse Studios, dem Entwickler von Kingdom Come: Deliverance, in Prag.

Eine gekürzte Fassung dieses Interviews wurde ursprünglich in Ausgabe 5 des deutschen Gaming-Bookazines WASD veröffentlicht.

This post is also available in: Englisch

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