Jens Wendland

Durch Synchronisation werden Filme, Serien oder eben auch Videospiele einem deutlich größerem Publikum zugänglich gemacht. Alle, denen das Verständnis der jeweiligen Originalsprache fehlt, können auf diesem Weg dennoch in den vollen Genuss des Produktes kommen. Doch Geschmäcker sind verschiedenen und eine verkorkste Synchronisation kann mitunter dazu führen, dass das gesamte Spielerlebnis enorm getrübt wird. Es lässt sich trefflich über Synchronisationen streiten und diskutieren und bei aller Streiterei werden die wirklich gelungenen Synchronisationen oftmals vergessen. Wir hatten die Möglichkeit mit dem Synchronsprecher Jens Wendland zu sprechen, der vor allem durch seine Rolle als Nathan Drake aus der Uncharted-Reihe bekannt sein dürfte. Herausgekommen sind viele interessante Informationen über den Job des Synchronsprechers und deren Arbeitsweise, aber auch spannende Aussagen über die Qualität von deutschen Synchronisationen. Lesenswert!


Wall Jump: Spielern dürften Sie wohl vor allem aus der Uncharted-Reihe bekannt sein, wo Sie die Rolle des Nathan Drake sprechen. Haben Sie als Sprecher noch weitere Erfahrung im Bereich der Videospiele sammeln können?

Jens Wendland: Tja, Drake ist ja nicht meine erste Rolle im Bereich Videospiele, aber mir natürlich sehr ans Herz gewachsen. Meine erste große Rolle war ein Krieger im PC-Spiel „Legend of Zord“. Das hat saumäßige Rezensionen gegeben, speziell für die Synchronisation. Dennoch wurde ich weiter besetzt, unter anderem für „Need for Speed Underground“, „Star Wars Knights of the Old Republic“, „Die Simpsons“, „Dragon Age“, „Mafia“, “Command & Conquer Red Alert”. Meine erste Hauptrolle war “Fenimore Fillmore” in “The Westerner”.

Wall Jump: Wie sind Sie zu der Sprecherrolle für die Uncharted-Reihe gekommen? Gibt es dort Castings und Vorsprechen oder kommen Videospielfirmen gezielt auf Sie zu?

Jens Wendland: Natürlich gab’s vorher Castings. Ich habe ein paar Takes eingesprochen, so wie eine mir unbekannte Menge anderer Sprecher auch, diese Takes wurden dann dem Kunden präsentiert und die haben dann entschieden.

Ich denke, man gibt durch die Stimme zwangsläufig der Figur etwas Eigenes mit.

Jens Wendland

Wall Jump: Inwieweit können Sie bei einer solchen Rolle Einfluss auf den Charakter nehmen? Haben die Entwickler klare Vorgaben oder können Sie selbst entscheiden, wie sie die Rolle anlegen möchten?

Jens Wendland: Das Anliegen ist natürlich, so nah wie möglich am Original zu sein. Darauf achten Übersetzer, Redakteure, Synchronregisseure. Da ich auch als Stimmenimitator arbeite, versuche ich, mein „Instrument“ an die jeweilige Figur anzupassen. Viel Spielraum gibt’s da eigentlich nicht. Es muss ja auch so gut wie möglich auf die Lippenbewegungen passen. Individuelle „Alleingänge“ gibt’s nur vereinzelt. Meistens als alternative Angebote, die zusätzlich aufgenommen werden und manchmal tatsächlich übernommen werden.

Ich denke, man gibt durch die Stimme zwangsläufig der Figur etwas Eigenes mit. Als ich zu Hause „Uncharted“ spielte, meinte meine Frau einige Male zu mir: „Genau wie Du“, oder sogar: „so hättest Du das jetzt auch gesagt“. Hab’ ich ja auch, nur, dass ich dabei nicht an Felsen oder Gebäuden herumgeklettert bin und Schusswaffen trage ich üblicherweise auch nicht mit mir herum.

Wall Jump: Wie müssen wir uns ihren Arbeitstag bei solch einem großen Projekt wie Uncharted vorstellen? Wie viele Tage / Wochen / Monate dauert es, bis Sie ihren Part fertig gesprochen haben.

Ein Projekt wie Uncharted zieht sich über mehrere Monate hin.

Jens Wendland

Jens Wendland: Ein Projekt wie Uncharted zieht sich über mehrere Monate hin. Die Übersetzungen laufen in Portionen auf. Es werden Termine mit Studio und Sprechern abgestimmt und los geht’s. Meistens in Sessions, die 4 bis 6 Stunden lang sind. Insgesamt habe ich für die Aufnahme von Uncharted 3 rund 50 Stunden im Studio verbracht.

Wall Jump: Bei der Recherche für dieses Interview fiel auf, dass ihre Arbeit bei der Uncharted-Reihe von den Spielern sehr hoch geschätzt wird – manch einer fordert gar einen Sprecher-Award! Wie gehen Sie mit dem Feedback um – helfen solche positiven Rückmeldungen neue Jobs an Land zu ziehen?

Jens Wendland: Wie alle anderen in diesem Projekt will ich natürlich gute Arbeit leisten. Wenn ich höre oder lese, dass die Synchronisation positiven Anklang findet, freue ich mich natürlich sehr. Man darf aber nicht vergessen, dass der Sprecher lediglich mit seiner Stimme die ganze Arbeit hörbar macht, die Übersetzer, Regisseure und Techniker im Studio geleistet haben. Es ist ein Teamspiel. Natürlich habe ich auch schon Kritiken gelesen, in denen die deutsche Version nicht so gut wegkam. Damit muss man leben. Man kann nicht allen gefallen. Nichts anfangen kann ich allerdings mit Äußerungen wie, „ich habe es zwar nicht gehört, aber es kann nix dolles sein“.

Wall Jump: Gibt es signifikante Unterschiede zwischen der Arbeit als Sprecher bei Videospielen und Sprecherrollen bei Hörbüchern oder der Synchronisation von Filmen?

Jens Wendland: Auf jeden Fall: Bei Hörbüchern hat man zunächst größere Freiheiten, weil man weder ans Timing noch an Vorgaben eines anderen Sprechers gebunden ist. Man kann die Pausen setzen, wie sie im normalen Sprachfluss vorkommen. Da man keine Figuren sehen kann, hat man mehr die Möglichkeit, sich selber eine Figur vorzustellen, um sie dann mit seiner Stimme darzustellen.

Beim Filmsynchron ist es so, dass Du das bewegte Bild vor Dir hast, den Text im Skript und Take für Take dem Schauspieler „deine Stimme in den Mund wirfst“. Das Schauspiel darf man natürlich auch nicht vergessen. Wenn es klappt, und Deine Stimme aus dem Mund auf dem Schirm kommt, hat es fast schon etwas Magisches.

Beim Videospiel kommt noch eine weitere Komponente hinzu. Es müssen viel mehr Takes aufgenommen werden. Für Drakes Kletterpartien wurden unzählige Sprung-, Hochzieh-, Abrutsch-, „das-war-knapp-„ undsoweiter-Laute aufgenommen. Bei einer Filmhauptrolle bist du mit zwei bis drei Drehtagen im Studio. Wie gesagt: Die letzte Uncharted-Folge schlug allein bei mir mit gut 50 Studiostunden zu Buche – Kaffeepausen nicht mitgerechnet. Ist aber auch kein Wunder, wenn man bedenkt, dass ein Spielfilm gut 95 min. Laufzeit hat. Ich habe mir sagen lassen, dass geübte Spieler Uncharted in 8-10 Stunden durchspielen. Ich verrate lieber nicht, wie lange ich brauche…

Dass das englische Original einfach besser ist, halte ich im übrigen für zu pauschal gesprochen.

Jens Wendland

Wall Jump: Nicht nur bei Videospielen, sondern auch bei Serien oder Filmen werden die deutschen Synchronstimmen oftmals kritisiert. Viele konsumieren die jeweiligen Produkte dadurch ausschließlich mit den englischen Tonspuren. Woran liegt das? Geht bei der Synchronisation quasi automatisch etwas von der „Original-Stimmung“ verloren? Sind die englischsprachigen Originale einfach besser? Ärgern Sie sich über diese – mittlerweile durchaus verbreitete – Meinung?

Jens Wendland: Das sind ja gleich mehrere Fragen. Zunächst: jedem, der sagt, er sieht sich Serien oder Filme lieber im Original an, billige ich das zu. Es ist seine Entscheidung. Ich ärgere mich darüber nicht, wenn jemand die Originalfassung vorzieht. Es stört mich allerdings, wenn darüber versucht wird zu missionieren. Die Aussage, dass nur die Originalspur die „richtige“ Spur ist – und zwar in allen Fällen und Produktionen – ist zu mir pauschal gesprochen.

Ich glaube allerdings auch nicht, dass diese Meinung so einhellig ist, wie es zum Teil auch gern in Foren dargestellt ist. Ich selber halte mein Englisch nicht für das schlechteste, bin aber dennoch bei englischsprachigen Filmen auf Untertitel angewiesen. Ich finde es etwas schade, mit dem Blick am unteren Bildschirmrand zu kleben. Bei der Synchronfassung habe ich dieses Problem nicht.

Natürlich gibt es ärgerliche Übersetzungsfehler. In einer Produktion habe ich erlebt, wie jemand das Wort „Mummy“ (Mumie) mit „Mami“ oder „Mutter“ übersetzen wollte. Die Szene spielte vor einem Mausoleum. Mit Mütterlichkeit hatte die Szene nicht viel zu tun. Das konnten wir aber noch im Studio korrigieren. Ansonsten weiß ich, dass Übersetzer und Dialogbuchautoren sehr gewissenhaft arbeiten, nicht nur um den Inhalt sondern auch die Atmosphäre zu übertragen. Dazu gehört es manchmal auch, Inhalte durch andere zu ersetzen. Manche Redewendungen lassen sich auch gar nicht übertragen. Da müssen dann Alternativen gefunden werden.

Dass das englische Original einfach besser ist, halte ich im übrigen für zu pauschal gesprochen. In mehr als einer Zeichentrickproduktion habe ich im Synchronstudio erlebt, dass die englischen O-Tonspuren nicht auf die Mundbewegungen passten. Das heißt, hier bekommt der deutsche Zuschauer eine synchronere Fassung geboten. Auch finde ich die deutsche Fassung der Serie „Die Zwei“ gelungener als die Originalfassung. Und sämtliche Bud Spencer und Terence Hill-Filme wären in Deutschland sicher nicht so erfolgreich gewesen, wenn man sie lediglich untertitelt hätte. Wie gesagt, jeder soll die Filme und Spiele in der Fassung erleben, die ihm am meisten zusagt.

Wall Jump: Wenn man Sie lediglich als Synchronsprecher bezeichnen würde, wäre Ihnen wohl Unrecht getan – sie arbeiten außerdem als Stimmenimitator und Moderator. Können sie überhaupt sagen, welcher dieser Berufsfelder ihnen am meisten Spaß macht?

Jens Wendland: Darüber habe ich noch nie nachgedacht. Spaß machen all diese Tätigkeiten. Es ist doch ein großes Geschenk, das tun zu können, was einem Spaß macht und was man sich selber ausgesucht hat. OK, es gibt auch Jobs, die mir keinen Spaß machen. Aber in welchem Berufsfeld gibt’s das nicht?

Wall Jump: Wir haben während unserer Recherchen festgestellt, dass die Anzahl derjenigen, die nur als Synchronsprecher, arbeiten sehr gering ist. Viele arbeiten als Schauspieler, Moderatoren oder sind als Autoren tätig. Sind diese Berufe also – irgendwie untrennbar – miteinander verbunden? Würde man es überhaupt schaffen, seinen Lebensunterhalt zu verdienen, wenn man lediglich als Synchronsprecher arbeitet?

Jens Wendland: Gibt es überhaupt jemanden, der ausschließlich als Synchronsprecher arbeitet? Sicher, man kann davon leben – wenn man genügend Aufträge hat. Aber selbst wenn, ich glaube nicht, dass jemand eine gute Hörspielrolle ablehnen würde mit den Worten: „Tut mir leid, aber ich spreche nur Synchronrollen.“ Untrennbar sind diese Berufe allerdings auch nicht miteinander verbunden. Es ist wohl vielmehr so, dass viele Leute, bevor sie zum Synchron kamen, etwas anderes gemacht haben wie Schauspiel oder Moderation und ihr Tätigkeitsfeld somit erweitert haben.

Wall Jump: Wie sind Sie zum Synchronsprechen gekommen? Welche Voraussetzungen muss man mitbringen?

Jens Wendland: Ursprünglich wollte ich Bühnenschauspieler werden. Nach einem Semester Schauspielschule musste ich allerdings erst einmal meinen Zivildienst ableisten. Danach bin ich zum Radio gegangen und habe ein Volontariat gemacht. In der Zeit habe ich sowohl Nachrichten gesprochen als auch moderiert. Dann kam Werbung dazu. Nach meiner Radiozeit folgten erste Hörspielrollen. Dann habe ich ein Synchronseminar gemacht und bekam auch gleich im selben Studio meine ersten kleinen Rollen. So ging das langsam los.

Wall Jump: Kann man das Synchronsprechen irgendwo lernen? Welchen Weg würden Sie jemanden vorschlagen, der gerne in diesem Bereich arbeiten möchte – gibt es einen goldenen Weg?

Jens Wendland: Es gibt einige Studios, die zusammen mit Synchronsprechern und Regisseuren Seminare anbieten. Hier kann man ohne jeglichen Druck das Synchronsprechen in verschiedenen Facetten ausprobieren.

Wall Jump: Bei welchen Projekten – auch abseits der Videospiele – können wir Sie hören?

Jens Wendland: Ich habe zum Beispiel für Resident Evil gesprochen. Dann hört man mich in Zeichentrickserien wie Garfield, Marvel Avengers, Hero 108, Tough Puppy, Fanboy & Chum Chum, Hello Kitty & Friends, Ugly Americans…

In Hörspielserien bin ich unter anderem zu hören wie Die drei ???-Kids, Die drei !!!, die „Geister-Schocker“-Reihe, Traumwandler und in einer neuen Aufnahme der „Schatzinsel“.

Wall Jump: Wir bedanken uns für Ihre Mühe und das interessante Interview!


Jens Wendland arbeitet seit 1996 mit seiner Stimme in den Bereichen Videospiele, Rundfunk, Hörbuch/ -spiel, Synchron und Dokumentation. Videospielfans wurde er vor allem als deutsche Synchronstimme von Nathan Drake bekannt. Darüber hinaus War Wendland bei Eventmoderationen, in Radiocomedies und als Stimmenimitator tätig.

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