Ich erinnere mich nicht an Raupen

Ich weiß nicht, warum sie sich an Raupen erinnert. Es geht wohl mal wieder um Vaterverlust und so, aber eigentlich steuere ich nur farbige Blobs über raupenartige Brücken. Sind die Raupen eine schöne Erinnerung an ihren verstorben Vater? Bestimmt, aber who gives a fuck?! Was hat es mit diesem Spiel zu tun? Obwohl ich den inhaltsleeren Texteinblendungen zwischen den Stages kaum Beachtung schenke, stören sie mich. Es ist als würde ich Super Mario World spielen, während jemand laut aus der Bibel vorliest. Die Dinge haben so wenig miteinander zu tun, dass ich eines von beiden auszublenden versuche. Und es ist nicht der fröhliche Klempner! Erst am Ende, als die niedlichen Credits fertig über meinen Bildschirm gewackelt sind, steht da wieder der Titel des Spiels. Sie erinnert sich an Raupen. Da werde ich stutzig. Trägt Mario jetzt wirklich eine Bischofsmütze? War das wirklich im Spiel drin?

Ich habe mich gerade durch eines sehr gutes, cleveres Puzzlespiel gebissen, das Spiel hat mich herausgefordert und hocherfreut. Und als Belohnung, ganz am Ende, steht da feierlich: Sie erinnert sich an Raupen. Wer ist „sie“ überhaupt? Ich erinnere mich an so vieles, aber weder an sie noch an ihre Raupen. Das fühlt sich falsch an. Das ist nicht der Titel des Spiels, den ich gespielt habe.

Nicht einmal die raupenartigen Brücken, über die ich meine Blobs befehligt habe, sind Raupen. Es sind Geleewobbel. Ich habe sie überhaupt nur als raupenartige Gebilde erkannt, weil der Titel des Spiel das nahelegt. Irgendwo müssen die Raupen ja stecken. Würde es Jellywobbles heißen oder Melt Your Brain, ich wäre niemals auf die Idee gekommen, Raupen in einer assoziativen Betrachtung dieses Spiels zu berücksichtigen.

Dabei gibt es so viel, nach dem man das Spiel benennen könnte. Im Versuch, die Rätsel zu begreifen, spreche ich mit der Switch auf dem Klo laut meine Optionen vor mich hin, so dass meine Familie sich schon Sorgen macht (Toilet Talk). Pilze wuchern in den Himmel (Mushroom Skyscraper) und ich dirigiere meine samenartigen Blobs wie ein Orchester an ihr Ziel (Seed Conductor). Aber Raupen? Nein.

Vielleicht war ich nicht aufmerksam genug. Dabei gibt das Spiel sich so viel Mühe, mir nach jedem Erfolgserlebnis wieder einen schwermütigen Textfetzen zwischen die Beine zu werfen. Sie kommen dem Spielfluss in die Quere wie die Geleewobbel, wenn ich mal wieder mit einer falschen Farbkombination meinen Weg durch ein Level burteforcen will. Diese Schranken sind eine ständige Erinnerung daran, dass man geduldig überlegen muss, wie das jeweilige Rätsel zu lösen ist. Vielleicht ist es mit der Story auch so – man muss die Texte nur sehr genau nach den Raupen absuchen und nicht auf die Tasten hämmern, um schnellstmöglich zurück zum Spiel zu gelangen.

Aber ich fürchte, so leicht ist es dieses Mal nicht mit der Moral. Denn ich bin mir ziemlich sicher, dass die Raupen auch in den lästigen Texten nicht ein einziges Mal erwähnt werden. Ich erinnere mich zumindest nicht daran.


Nicht von den Raupen irritieren lassen. She Remembered Caterpillars (2017, PC, Switch) ist ein fantastisches Knobelspiel mit einer tollen Atmosphäre und wunderbar animierten Geleewobbeln.

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