Mulders Wohnzimmer

1998 war ein großartiges Jahr! Endlich sechzehn, erste Expeditionen ins Internet(café), NBC Giga wurde zur allgegenwärtigen Nachmittagsbeschallung und als großer Akte X Fan bekam ich nicht nur einen Kinofilm zu meiner Lieblingsserie spendiert, sondern auch noch ein gar nicht übles FMV-Adventure. Dieses hatte nur ein Problem: Es fehlten die bekannten Schauplätze und unsere Stars wurden zu Statisten degradiert. Dass dadurch Produktionskosten eingespart werden sollten, war nachvollziehbar, aber schade war es trotzdem. 

Meine beste Freundin Gina und ich beschlossen, dass wir eine würdigere Spielumsetzung hinbekommen könnten. Ein inoffizielles Point & Click Adventure von epischen Ausmaßen würden wir programmieren, um unsere Fanliebe nach außen zu tragen! Und mit wir meine ich sie, denn ich konnte sowas von nicht programmieren. Meine Aufgabe sollte es sein, die grafische Gestaltung zu übernehmen, sowie einige Texte zu verfassen. Und das nahm ich sehr ernst. Keine Geschichtsstunde verging, in der ich keine neuen Skizzen zu Papier brachte. Und noch bevor irgendetwas draufzeig- oder anklickbar war, hatte ich bereits die mit ironischen Anspielungen gespickte Installationsanleitung fertig geschrieben, die sich rückblickend ziemlich peinlich liest. Prioritäten! Damals waren alberne Anleitungen noch ein Qualitätsmerkmal für dieses Genre. Einen griffigen Titel brauchten wir selbstverständlich auch noch. Weil wir ein Wortspiel mit X suchten und Microsoft mit seinem merkwürdigen E-Mail-Server-Dingens nicht auf dem Schirm hatten, tauften wir unser Baby “X-Change”. Oder Exchange. Wirklich konsequent zieht sich die Schreibweise nicht durch meine verbliebenen Notizen.

Bei mir kommt nichts weg.

Ich will es nicht schönreden… Natürlich wurde nichts aus unserem ambitionierten Fan-Projekt. Nachdem wir hochmotiviert gestartet waren und uns über unsere Väter sogar die ersten Dialogbäume hin und her gefaxt hatten, verlief das Ganze zwischen Schule und neu aufkeimenden Fan-Obsessionen im Sande. Nur eine einzige Skizze zeichnete ich tatsächlich ins Reine: Mulders Wohnzimmer. Weil mir genau das in dem offiziellen Spiel gefehlt hatte, war es mir ein persönliches Anliegen, das traute Heim meines Lieblingsagenten in würdiger Weise umzusetzen. Sonnenblumenkerne und sein Aquarium dürften nicht fehlen, sowie das X an der Fensterscheibe. Zum Ausmalen kam es leider nie. Und so besteht der einzige Screenshot, den ich von unserem Spiel zeigen kann, aus einem geklauten Bild aus der Serie. Gina hatte ihn mir damals ausgedruckt und ich habe ihn jetzt für diesen Text abfotografiert. Auf diese Weise hat unser Spiel nach 25 Jahren doch noch seinen Weg ins Internet gefunden. 


Gina ist auch heute noch meine beste Freundin, kann inzwischen unverschämt gut programmieren und sobald wir in Rente gehen, werde ich sie dazu überreden, ein Indie Game mit mir zu entwickeln. Ich werde wieder die Anleitung schreiben und sie den Großteil der Arbeit machen lassen. Es wird mindestens so großartig werden wie 1998!

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