In unserem zweiteiligen Jahresrückblick fragen wir uns: Welche Spiele haben uns in diesem verflixten Jahr 2020 ein bisschen Liebe und einige besondere Momente geschenkt? Nach düsteren Blockbustern, PS-gestärkten Mehrspieler-Hits und futuristischen Retromomenten in Teil 1 widmen wir uns heute einem wahren Blitzlichtgewitter, mobiler Schönheit und der Rückkehr in ein vertrautes Land.
Es sind neue Konsolen auf den Markt gekommen, es gab ein paar fette Blockbuster, doch womit hat Martin seine Zeit verschwendet? Mit Song of Bloom und I Love Hue Too für iOS und Picross auf der Switch. Aber es waren großartige Spiele, die mich durch eine sehr schwierige Zeit begleitet haben. Der Grund dafür, ist einfach zu benennen, denn es waren beruhigende und inspiriende Spiele. Das Eintauchen in die Geschichten, Farben und Knobelaufgaben war geradezu meditativ. Einige machen Sport, mache verfallen dem Serien-Binge auf Netflix, andere betäuben sich anderweitig – ich für meinen Teil habe neue Facetten des Slow-Gamings entdeckt.
Ich brauchte zwischendurch etwas, um mit mir und meinen Gedanken allein zu sein und sie zu ordnen.
Kurioserweise habe ich erstmals das neue Animal Crossing ausgelassen, obwohl auch dieses Spiel sehr entspannend sein kann. Ich glaube, diese Form von Spielen mit sozialer Interaktion als Hauptthema hätte mich einfach nicht befriedigt. Ich brauchte zwischendurch etwas, um mit mir und meinen Gedanken allein zu sein und sie zu ordnen. Und tatsächlich zauberte mir genau diese idee ein Lächeln in mein Gesicht. Videospiele sind nämlich ein großartiges Ding und wie Bücher, Filme und Musik haben sie die Macht, allerlei Art von Wunden zu heilen.
Ich freue mich mit der neu geschöpften Kraft und der gesammelten Ruhe in das neue Jahr starten zu können. Und mit Sicherheit ist dann auch wieder Platz für große Abenteuer.
Dass die Wall-Jump-Chefetage möchte, dass ich meinen persönlichen Gaming-Moment 2020 niederschreibe, erscheint sonderbar. Schließlich hat sich diese Seite dem Festhalten besonderer Momente verschrieben und so habe ich die größten Knaller bereits artig beschrieben: Das rührende Ende von A Short Hike und das genauso rührende Ende von Sayonara Wild Hearts.
Es war ein Jahr voller kurzer Indiespiele für mich – 40 habe ich beendet. Anstatt also einen weiteren einzelnen Moment herauszugreifen, gibt es ein Blitzlichtgewitter:
Ich produziere Klone meiner selbst, die ich in schneller Folge durchlaufe, um sanft auf dem Boden einer verlassenen Raumstation zu landen. Nach mir landen weit weniger sanft fünf leblose Gestalten, deren Knochen beim Aufprall zerbrechen. Ich lasse sie achtlos liegen und fühle mich wie Hugh Jackmann in „The Prestige“. Es ist makaber und ein bisschen großartig. Ich sitze mit verschwitzten Händen auf der Kante meines Sofas und versuche, im selten aufflackernden Licht nahezu unsichtbare Gegner auszumachen und habe keine Zeit, zu bestaunen, dass ein 17 Jahre altes Spiel solche Gefühle in mir auslösen kann. Ich starre minutenlang auf ein Rätsel aus Farben, Lasern und Blöcken und löse das Problem ausschließlich mit meinem Geist. Ich liege real im viel zu engen Alkoven meines gemieteten Campingbusses und streife virtuell durch die Inseln eines ganz anderen Urlaubs und überlege, welcher besser ist. Ich springe auf ein Raumschiff, um meine von Aliens entführte Kuhherde zu retten und rolle ganze Welten zusammen, um den König des Kosmos zufrieden zu stellen.
Wenn ich das so schreibe, war das ein ziemlich gutes Videospieljahr.
Ich töte versehentlich unschuldige Menschen, doch weil ich nur dann in ein Haus gelassen werde, wenn ich mehr töte, töte ich fortan absichtlich unschuldige Menschen. Ich bringe Freude in einen ganzen Wald zurück und erschaffe eine Welt, indem ich sie vollkleckse. Ich entdecke das erste Roguelite, das mir richtig gut gefällt und zwar nicht trotz, sondern wegen des Genres. Ich erlebe vielfach das befriedigende Gefühl, einen übermächtigen Gegner mit einem einzigen perfekten Schuss zu erlegen und brenne eine Kirche nieder, in der ein falscher Heiliger angebetet wird – es ist mein Bruder. Ich werde von Adrenalin geflutet, während ich mich durch Gegnerhorden in sich ständig ändernden Stages ballere und ebenso, während ich ein Computersystem nach dem nächsten infiltriere und jeder Falle entkomme. Ich genieße die frischen Klänge eines talentierten neuen Komponistenduos in einem Spiel, das vor Nostalgie nur so trieft. Und nicht zuletzt kehre ich immer wieder an dieselben Orte zurück, um eine neue Spur zu verfolgen, eine Theorie zu überprüfen und ein gigantisches Mysterium zu lösen. Ich bin ein echter Detektiv.
Wenn ich das so schreibe, war das ein ziemlich gutes Videospieljahr. Lauter Momente, die es sich lohnt, festzuhalten. Vielleicht ja hier auf Wall Jump.
Wie Martin konnte ich mich der Faszination, jeden Winkel und jede Ecke von Hyrule in Breath of the Wild erkunden zu wollen, kaum entziehen. Den perfekt inszenierten Moment, in dem ich als Link erstmals vom großen Plateu über die weiten Ebene des Landes hin zum Schloss, dem Todesberg und den Gebirgsketten am Horizont blickte, werde ich wohl niemals vergessen. Dennoch bin ich immernoch skeptisch, wie ob die angekündigte Fortsetzung zu Breath of the Wild, die dem ersten Teaser nach ja in der selben Landschaft spielen soll, dieses Gefühl des Entdeckes und Erkundens ein zweites mal so eindrucksvoll erzeugen kann.
Wie es wird, möglicherweise Ende diesen Jahres nochmals zurück nach Hyrule zu reisen?
Das Nintendo mir dann im Herbst kaum eine Chance gab, mich vorab mit Hyrule Warriors: Age of Calamity zu beschäftigen, war also umso besser. Denn das Spiel wurde nur wenige Wochen vor Veröffentlichung erstmals präsentiert, gerade, als meine Vorfreude ganz der neuen PlayStation 5 und Xbox Series X galt. Trotz all der schönen Technologie gehörte meine Zeit am Controller in den letzten Wochen des Jahres aber doch fast nur Hyrule Warriors. Dabei ist es gar nicht so sehr das Gameplay, das mich an die Konsole fesselt. Denn trotz aller Handlungsschwächen kann ich gar nicht genug davon bekommen, Hyrule wieder zu sehen, Dörfer vor ihrer Vernichtung durch Ganon in ihrer Pracht zu bewundern, die Treppen zur alten Zitadelle hoch steigen zu dürfen und mitzuerleben, wie Zelda endlich aus dem Schatten von Link tritt, ihren Mut findet und sich der Verheerung Ganons stellt.
Wie es wird, möglicherweise Ende diesen Jahres nochmals zurück nach Hyrule zu reisen? Ein bisschen skeptisch bin ich immer noch. Aber ich kann es auch kaum noch erwarten.
This post is also available in: Englisch