Double Deck

Videospiele sind ein konsensfreier Bereich der Popkultur. Das Internet bietet auch der abwegigsten Meinung noch ein Forum. Welchen noch so plausiblen Standpunkt man öffentlich auch vertritt: Widerspruch ist die Ernte. Doch wenn es eine populäre Meinung unter Gamer:innen jenseits der 30 gibt, dann diese:

Mario Kart 64 ist wirklich nicht der objektiv beste Teil der Reihe, aber damals hatten wir viel Spaß damit! Eigentlich haben wir die ganze Zeit nur Battle Mode gespielt. Block Fort, weißt du noch? Das war nie wieder so geil wie damals. Ach, ich wünschte, Nintendo würde endlich mal wieder einen ordentlichen Battle Mode hinkriegen. Das kann doch nicht so schwer sein. Ich will gar nix besonderes – Block Fort in HD, fertig.“

Schauen wir genauer auf die vier Kurse: Big Donut ist ein… Donut. Immer im Kreis, random auf die Fresse. Keine Strategie, nichts, Niemand hat mehr als einmal den Big Donut gespielt. 100 Euro drauf.

Skyscraper ist kaum anders. Man kann noch über Gitter in die Mitte fahren. Pures Chaos. Man könnte auch per Streichholzziehen ermitteln, wer gewinnt. Niemand hat mehr als vier Mal Skyscraper gespielt.

Und dann Block Fort. Alle lieben Block Fort. Alle haben 37.698 Partien Block Fort gespielt. Die Nostalgie ist stark, die Liebe grenzenlos. Eine nicht repräsentative Umfrage auf einem Discordserver mit wenig Konsenspotenzial ergab: 100% pro Block Fort. Ein Konsens. Halleluja.

Block Fort? Euer Konsens ist Block Fort? Es ist wohl an der Zeit, meiner abwegigen Meinung ein Forum zu bieten: Block Fort kann nix. Natürlich mehr als der Big Donut. aber was soll das für ein Maßstab sein?! Ich habe Block Fort trotzdem fast genauso wenig beachtet wie diese Abomination einer Arena. Warum? Weil ich viel zu sehr damit beschäftigt war, Double Deck zu lieben!

Double Deck ist nicht die beste Arena aller Zeiten. Double Deck ist die beste Sache aller Zeiten. Du glaubst, Superlative werden zu viel benutzt? Ich auch. Denn nur Double Deck verdient Superlative! Die Inkarnation des frenetischen Adrenalinrausches, der hilflos mit dem unzulänglichen Begriff „Couchmultiplayer“ umschrieben wird. Double Deck. Zwei Ebenen, Genau genommen zwei mal zwei Ebenen. Vier Ebenen. Block Fort lässt mich zwischen den Blocks auf einer Menge Freifläche und überschätzten Brücken herumgurken. Double Deck das Terrain der Jagd. Wer sich auskennt, ist tödlich wie ein Luchs auf Steroiden. Ein Ninja in der Nacht. Der kalte Blitz der Mordlust.

Bunte Ödnis

Der Farbcode der Blöcke in Block Fort sei clever, denn so könne man luschern und die Position der anderen ausspionieren. Wozu? Um dann 16 Sekunden später dort zu sein, wo längst niemand mehr ist? Wer so simpel denkt, hat auf dem tödlichen Schlachtfeld Double Deck nichts zu suchen. Ihr seid alle nicht gemacht für die echte Herausforderung. Ihr seid überfordert mit diesem dreidimensionalen Todeswürfel. In Sekunden ist man überall dank enger Kurven und strategischen Drops. Ihr wisst nichts von dem Thrill, immer wieder zu entkommen und in Sekunden von Flucht auf Angriff zu schalten, um die überrumpelte Beute völlig zu verwirren und gnadenlos zuzubeißen. Mit einem Schildkrötenpanzer. Zubeißen mit einem Schildkrötenpanzer.

Block Fort ist langsam, einfältig, trivial. Bunt angemalte Klötze der Ödnis. Ein Schatten der Möglichkeiten, die das Spiel bietet.

Ich will gar nix Besonderes. Double Deck in HD. Fertig. Und was sagt mir die Wiki des „Mario Kart Fandoms“ zu Double Deck?

Diese Arena hat zwei Ebenen und wurde als einzige noch noch nie neu aufgelegt.

Richtig. Der Big Donut wurde neu aufgelegt.

Legt euch doch gehackt!


Wer Double Deck spielen will, braucht kein funktionstüchtiges N64 mehr mit vier nicht ausgeleierten Controllern und Mario Kart 64 (1996). Auf der Switch kann man es nun sogar online spielen. Aber das scheint mir minderwertig zu sein. Man will ja seine Beute auf der Couch zittern sehen.

Ich bin nicht ganz allein.

Dieser Artikel ist Teil einer Reihe von Texten zu 30 Spielen aus 30 Jahren.

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