Schwein, Autounfall, Brunnen

Mit jedem weiteren Lebensjahr wächst die Zahl an gelesenen Büchern, geschauten Filmen & Serien, gehörten Musikalben und gespielten Videospielen. Manchmal habe ich das Gefühl, dass mein interner Gehirnspeicher die neuen Inhalte nur noch speichern kann, indem er alte und länger zurückliegende Medieninhalte überschreibt. Das Gehirn mag theoretisch so nicht funktionieren, praktisch stelle ich aber trotzdem fest, dass viele Dinge nur noch bruchstückhaft vorhanden sind. Einzelne Textpassagen, einzelne Zitate, einzelne Gitarrenriffs, einzelne Bilder, einzelne Sequenzen – gegen eine Defragmentierung hätte ich nichts einzuwenden.

Neidisch bin ich auf all diejenigen, die sich gegen diese „digitale“ Demenz frühzeitig abgesichert und Buch über konsumierte Inhalte geführt haben. Alle gespielten Videospiele in einer Excel-Liste festhalten und den Spieleindruck oder besondere Momente stichwortartig dazuschreiben oder gar per Screenshot hinzufügen. Besondere Passagen aus Büchern digitalisieren und in einem umfangreichen Lesetagebuch auf der Festplatte speichern. Ordentliche und chronologische Spotify-Listen mit den Lieblingstracks anlegen. Eine Liste der gesehenen Filme und Serien führen und dabei das eigene Top 10-Ranking immer wieder neu überdenken und sortieren. Die Möglichkeiten sind zahlreich und mit etwas Kreativität und Fleiß auch wahrlich kein Hexenwerk.

Wenn man dieses Vorhaben nicht konsequent umsetzt, ist diese Chance aber irgendwann vertan. Ich war immer zu faul. Und jetzt habe ich nicht nur keine Zeit und Lust mehr dafür, sondern auch schon zu viel vergessen. Das wurde mir beim Schreiben dieses Artikels wieder einmal bewusst, der sich eigentlich nicht um meine „digitale Demenz“, sondern um das PlayStation 3-Spiel Datura drehen sollte. Das hatte mir vor einigen Jahren, trotz (eher) mieser Kritiken, irgendwie ziemlich gut gefallen. Warum? Die Atmosphäre war, glaube ich, sehr besonders. Worum es ging? Man trifft ein Schwein, hat einen Autounfall und wird in einen Brunnen geschubst. Zumindest sind das die Fragmente, die ich noch aus meinem Gehirnspeicher kramen kann. Vielleicht war es das auch schon. Vielleicht muss man sich gar nicht mehr von diesem Spiel behalten. Aber durch den nicht mehr vorhandenen Kontext wirkt das dann doch eher mager.

Schon die Suche nach dem Titel des Spiels hat gedauert: Mein Bruder, mit dem ich Datura gemeinsam gespielt habe, fand das Spiel letztlich über meine Trophäen-Liste auf der PlayStation. Auch er erinnerte sich daran, dass ihm das Spiel damals gut gefallen hatte. Warum genau, wusste er aber auch nicht mehr. Dafür erinnerte er sich an steinerne Torbögen in einem Wald. An einen Autounfall konnte er sich hingegen nicht mehr erinnern.

Datura stand in der chronologischen Trophäen-Spieleliste direkt über Stranglehold. Knapp 60 Prozent der Trophäen habe ich damals bei Stranglehold freigeschaltet. Ich habe noch nie von diesem Spiel gehört.


Hintergrundinformationen zum Spiel kann ich nicht liefern. Wikipedia kann: Datura kann entweder mit PlayStation Move oder dem DualShock 3 gespielt werden. Der Spieler beginnt als Patient in einem Krankenwagen, von dem aus er auf mysteriöse Weise in einem Wald landet. Das Gameplay basiert auf der Erkundung des Waldes, wo der Spieler mit Objekten und anderen Charakteren interagieren kann.

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