Meine Modding-Karriere

Modding ist mir suspekt. Das Verändern von Spielen durch Fans ist unübersichtlich und voraussetzungsvoll. Es geht über die Intention der Entwickler hinaus oder sogar daran vorbei. Ich mag meine Spiele sauber und abgeschlossen, plug & play. Doch heute morgen auf dem Fahrrad fiel mir ein, dass ich selbst mal ein kleiner Modder war.

Das war 1996. Es gab es noch kein Starcraft und keine Gamestar. Warcraft II war frisch in Europa erschienen und mein Freund Christian hatte die PC Games abonniert. Viel Zeit und wenige Spiele – ein sicheres Rezept, um mehr aus einem Spiel zu holen als drinsteckt.

Ein hervorstechendes Feature von Warcraft II waren die individuellen Sprachsamples. Jede Einheit reagierte auf das Auswählen sowie auf erteilte Befehle mit einer Handvoll zufällig rotierender Antworten. Wir hatten bereits entdeckt, dass Einheiten, die ohne weitere Anweisung sehr oft hintereinander angeklickt wurden irgendwann ungeduldig, ungehalten oder verzweifelt reagieren. Ein Nachmittag war also schonmal damit abgedeckt, allen Dienern des Krieges auch den letzten entnervten Sprachfetzen zu entlocken. Nachdem wir jede Pore des Spiels erkundet hatten und den Leveleditor aufs Äußerste ausgereizt, eröffnete Christian mir eine neue Dimension des Spaßes. Ich vermute, er hatte davon in der PC Games gelesen.

Die Sprachsamples waren editierbar. Windows verfügte damals über einen rudimentären Audioeditor, der uns ermöglichte, Teile der Dateien zu verschieben, zu löschen oder sie rückwärts abzuspielen. Auch dieses Tool fesselte uns schon in der Prä-Internet-Ära stundenlang an den Rechner, indem wir Sätze rückwärts einsprachen und den Prozess umkehrten. Nun sollte es möglich sein, die Samples unserer Peons, Oger und Paladine im Spiel zu verändern? Au ja!

Leider kamen wir nicht auf die Idee, eigene Sprachsamples einzusprechen und die Dateien entsprechend umzubenennen, aber das Editieren war Freude genug. Wir gingen jede Datei auf sinnvolle Veränderbarkeit durch. Aus „Fass mich nicht an!“ wurde „Fass mich an!“ – was mir im Nachhinein bei einem Blizzard-Spiel überaus unangenehm ist, scheint es doch genau das Wort „nicht“ zu sein, dass heute im Unternehmen systematisch ausgeblendet wird, wenn dieser Satz fällt.

Das Schneiden war mühevoll, aber welch Magie, dass es klappte. Für mich waren Spiele bis dahin Gebilde aus einem Guss. Ich hatte kein Verständnis davon, dass es sich um einzelne Dateien handelte, auf die das Programm bei Bedarf zugreift.

Wann immer jemand „Fällt dir sonst nichts ein?„. sagt, denke ich bis heute leise vor mich hin: „Fällt dir sonst waaaaaas ein?“. Noch hartnäckiger: Beim Umstellen von „Euer Wunsch ist mir Befehl“ zu „Euer Befehl ist mir Wunsch“ klang das Ergebnis nicht nach „Wunsch“, sondern „Punsch“. Seit 25 Jahren wird dieser Satz zuverlässig von meinem Gehirn ausgelöst, wenn Punsch erwähnt wird: „Euer Befehl ist mir Punsch!“. Ich hatte nur bis heute Morgen vergessen, woher dieser Unsinn kommt.

Dieser Nachmittag im Jahr 1996 eröffnete mir einen Horizont. Den Horizont des Moddings. Doch ich entschied mich, diesen Kurs nicht weiterzuverfolgen. Zu kompliziert.


Ihr fragt euch sicher nicht, warum mit dieser Text beim Fahrradfahren einfiel. Hier ist trotzdem die Antwort:

Bei einer Wall-Jump-Videokonferenz stellte ich fest, dass die Kategorie „Sound“ unerwartet wenig bespielt wird. In derselben Konferenz sprachen Joshua und ich darüber, dass Textideen am besten in einem selbstgesteckten „Rahmen“ entstehen. Ich zählte 1 und 1 zusammen und hier ist meine neue Reihe: Der erste Sound, der mir zu einem wichtigen Spiel einfällt – Das wird der Text.

Diese Idee wäre jedoch in Vergessenheit geraten, wenn ich nicht meine Kopfhörer an einem sonnigen Dezembermorgen zu Hause vergessen hätte. Das hatte zwei wunderbare Konsequenzen: Ich vernahm den Ruf einer Krähe, der mich an ein Videospiel und damit an dieses Vorhaben erinnerte und ich hatte den Kopf frei, um mir im Anschluss diesen Text auszudenken.

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