Psycholynch

Es gibt einige Titel, bei denen sich die Kampagne im Splitscreen-Koop spielen lässt – häufig wird dem Hauptcharakter dabei irgendein beliebiger zweiter Protagonist zur Seite gestellt, in dessen Rolle Player 2 dann schlüpfen darf. Und in den meisten Fällen hat dies keine Auswirkungen auf den Verlauf der Geschichte – Player 1 und Player 2 erleben die gleiche Action und sehen sich mit den gleichen Aufgaben und Gegnern konfrontiert. Doch bei Kane & Lynch: Dead Men war das anders und die Splitscreen-Kampagne hielt einen äußerst absurden Moment bereit, der bis heute aus Couch-Koop-Erfahrungen heraussticht.

Ich habe das Spiel zusammen mit meinem jüngeren Bruder gespielt. Eines Abends, nach einem erfolgreichen aber herausfordernden Bankraub, schafften wir es irgendwann unbemerkt zurück auf die Straße. Anscheinend hatte uns niemand bemerkt – niemand folgte uns. Durchatmen, alles gut! Doch während ich weiter mit „meinem“ Kane in Richtung des Fluchtwagens lief, blieb mein Bruder mit „seinem“ Lynch plötzlich stehen, schrie panisch und ballerte wild um sich. Ich drehte mich mit Kane um und verschaffte mir einen Überblick über die Szenerie. Ziemlich entsetzt musste ich feststellen, dass mein Bruder Lynch gerade dabei war zahlreiche, unbeteiligte Zivilisten zu töten. Einfach so. Sauer, weil unsere Tarnung nun doch noch aufzufliegen drohte, raunte ich meinen Bruder an – der raunte zurück und schoss unbeirrt weiter. Erst als ich meinen Blick auf seinen Teil des Splitscreens richtete, hörte ich auf ihn anzubrüllen: Mein Bruder Lynch sah hier keine friedlichen und unbeteiligten Passanten,… alle Passanten sahen auf seinem Screen aus wie bewaffnete Polizisten, die ihn zur Strecke bringen wollten. Seine Reaktion, sich schussgewaltig zur Wehr zu setzen, erschien mir nun nicht mehr völlig daneben – aber es dauerte bis ich ihn davon überzeugen konnte, dass er mit der Ballerei aufhören müsste.

Tatsächlich hatte das Spiel in diesem Moment, ganz von selbst und für ihn völlig unerwartet, Lynchs „Psychosen“-Filter getriggert, der eben genau dieses Szenario auslöst: Alle Unschuldigen NPCs erscheinen Lynch, der unter einer medizinisch bescheinigten Schizophrenie leidet, plötzlich als gegnerische Cops. Dieser absurde Moment, der sich tatsächlich nur durch den Couch-Koop-Modus erleben ließ, hat sich bis heute eingeprägt. Kane & Lynch: Dead Men war sicher nicht der beste Koop-Titel, den wir gemeinsam gespielt haben, aber diese Art der bewussten und völlig unerwarteten Irreführung hat dazu geführt, dass das Spiel nicht in Vergessenheit geraten ist.


Kane & Lynch: Dead Men ist ein Third-Person-Shooter vom dänischen Spieleentwickler IO Interactive und erschien 2007 für die Xbox 360, die PlayStation 3 und den PC.

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