It’s Always Better On Holiday

Sommerzeit ist Urlaubszeit. Während manche um die Welt reisen, bleiben andere zu Hause und widmen sich den über das Jahr zu kurz gekommenen Hobbys. Wie unterschiedlich Urlaubsaktivitäten sein mögen, so eint sie vor allem ein Begriff: Erholung! Denn Arbeit ist ja doch deutlich mehr, als das halbe Leben und so möchte man sich wenigstens in den wenigen Urlaubstagen ordentlich entspannen dürfen.

Für mich stellt Urlaub damit ein echtes Dilemma da: Zeit fürs Hobby, also für Videospiele, aber gleichzeitig der Drang nach Entspannung, also… alles andere als Videospiele? Denn die meisten Spiele begeistern mich zwar, strengen mich aber auch an. Ununterbrochen dem Tod von der Schippe zu springen, neue Höchstleistungen aufzustellen, gegen andere zu obsiegen, all das klingt für mich nicht nach Erholung. Wenn ich dann auch noch des Gamings liebsten Pausenfüller, die Fetch-Quests, absolvieren muss und dabei Prozentwerte und Preise ergattern, so wird aus der Unterhaltung schnell die berüchtigte Spiel-Arbeit. 

Zum Glück haben es sich einige, wenige Spiele zur Aufgabe gemacht, ein virtuelles Flugticket in den Urlaub anzubieten. Auf Wii und – sehr unbemerkt – auch Nintendo Switch forderte etwa „Go Vacation“ mit einem sprachlich etwas unbeholfenen Imperativ zu einem Aktivurlaub auf. Hiking, Rafting, Racing, Jetskiing, Riding, maximales Auspowering wurde hier am Controller versprochen! Was aber für mich, der sich einfach mal auf die faule Haut legen will?

Die Antwort lautet: The Touryst! Das Spiel mit der sprachlich etwas unbeholfenen Schreibweise versetzt mich in die Rolle eines leider ausschließlich männlichen Touristen, dessen Wampe unter dem Hawaiihemd auch in Voxel-Optik erahnt werden kann. Als Experten für Erholung stecken hinter diesem Spiel übrigens die Münchner Indie-Entwickler Shin’en, die sich nach einigen sehr schnellen Rennspielen endlich auf eine bayerische Kernkompetenz besonnen haben: Gemütlichkeit. Und tatsächlich ist The Touryist vor allem das: Gemütlich. Klar, das Spiel will mich auch von Insel zu Insel ködern und mysteriöse Tempel erkunden. So richtig Lust habe ich darauf beim Spielen aber gar nicht, denn ich bin ja im Urlaub. Und so mache ich das, was mir andere Spiele so häufig vor lauter Questlogs und Waymarkern verwehren: Ich hänge gepflegt ab. Jeder Liegestuhl will ausgiebig ausgekostet werden, anderen Touristen nicke ich freundlich zu, spare mir aber jede unnötige Konversation. Irgendwie bringt mich das Spiel dann doch dazu, seine Geheimnisse zu erkunden. Dazu motiviert mich aber nicht etwa eine packende Geschichte, ein Hauptpreis oder eine menschliche Tragödie, sondern schlicht und einfach Urlaubslangeweile. 

Doch selbst der zwanghafte Drang zum Abenteuer wird schnell durch Prokrastination gebrochen: Denn das Urlaubs-Archipelago, zwischen dem ich mich natürlich hin und her schippern lasse, statt selbst zum Steuer greifen zu müssen, bietet den zentralen Wohlfühlspot Leysure Island. Auf Leysure Island gibt es zwar einiges zu tun, nichts davon bringt mich aber dem eigentlichen Ziel des Spiels entgegen. Dafür kann ich bequem im Jazzcafé abhängen, ein bisschen Klamotten und Vinyl shoppen und die örtliche Spielhalle besuchen. 

Seit The Touryst stelle ich immer häufiger fest: Mehr Spiele bräuchten ihr eigenes Leysure Island. Je höher die Höhepunkte, je dramatischer die Setpieces, je brachialer die Action, umso mühsamer finde ich alles und umso egaler wird mir vieles. Oft ertappe ich mich dabei, dass ich einfach nur Zeit in den wunderschönen Welten verbringen will, mir das Spiel dazu aber gar nicht die Ruhe und Gelegenheit gibt. Meinen Urlaub verbringe ich dann woanders. Schade, eigentlich.  


Wer im Urlaub nicht zu viel Erleben will, macht mit The Touryst nichts falsch – was beileibe nicht heißen soll, dass das Spiel auf Xbox und Switch nichts bietet. Ganz im Gegenteil. Denn manchmal ist weniger einfach mehr!

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