Ein Möbelkatalog voller Sex

Meine erste Verabredung in den eigenen vier Wänden verlief vermutlich genauso chaotisch wie bei allen anderen Menschen: Während ich mich mit meiner Besucherin beschäftigte, wurde im Hintergrund ein Doppelbett geliefert, damit der später anstehende Sex nicht zu unbequem ausfallen würde.

„Nur zwei Dinge sind unendlich. Das Universum und die Zukleinheit des eigenen Bettes bei Damenbesuch.“

Das stand damals in einem Beziehungsratgeber, den ich Wochen vor der ersten Verabredung in einem Buchladen mitgenommen hatte. Der Buchladen war eigentlich ein Möbelgeschäft, der Beziehungsratgeber ein Möbelkatalog, doch würde ich nicht von einer Lüge sprechen, wenn ich Möbelkataloge als Bücher bezeichne. Das Telefonbuch ist auch ein Buch. Und da Telefonbücher schon lange nicht mehr das sind, was sie einmal waren, liegt es nun an den Möbelhäusern, Bücher zu veröffentlichen, die von starken Menschen im Fernsehen zerrissen werden können.

Jedenfalls hatte ich es damals für eine gute Idee gehalten, ein neues Bett zu kaufen. Dass das Möbelhaus an dem Abend liefern würde, an dem meine Verabredung bereits im Wohnzimmer saß und sich mit mir über das Wetter unterhielt, war natürlich abzusehen gewesen, schließlich liefern die immer an dem Tag, an dem es einem eigentlich nicht gepasst hatte, was man bei der Bestellung selbstverständlich angemerkt hatte, aber wen interessiert das schon.

So saß ich also im Wohnzimmer, unterhielt mich mit meiner Angebeteten und gab den Lieferanten gleichzeitig Anweisungen, wie das Bett aufzustellen sei. Meiner Verabredung versuchte ich zunächst zu erklären, dass das alles nichts mit ihr zu tun hatte, doch erkannte ich anhand ihres Blickes, dass sie mir nicht glaubte. So gestand ich ihr, dass ich auf der Jagd nach der Sims 4-Errungenschaft war, für die man mit fünfzig unterschiedlichen Menschen schlafen musste. Und sie war halt gerade hier und das Bett war neu und irgendwie musste man ja gucken, ob eine Schraube dran locker war und ob es quietscht, und eigentlich war der Abend am Ende echt ganz in Ordnung und das Bett ebenfalls.

Am nächsten Tag stand ich mit meiner Betttesterin im Museum herum und betrachtete zunächst Kunst und anschließend meine Gefährtin und stellte anhand ihrer Beschreibung zum ersten Mal fest, dass es sich bei ihr um eine junge Erwachsene handelt. Ich erschrak. Schließlich war ich ein Erwachsener. Die Bezeichnung „Junge:r Erwachsene:r“ ist nur denen vorbehalten, die sich selbst nicht eingestehen können, erwachsen zu sein. Ich bin knapp über fünfunddreißig Jahre alt. Das ist alt. Also bin ich erwachsen. Nicht jung erwachsen. So stand ich alter Mann also im Museum herum und hatte eine Frau an meiner Seite, die sich als junge Erwachsene bezeichnet. Wie tief kann man eigentlich sinken? Was würden die Leute denken? Der alte Kunstliebhaber mit Jungliebhaberin? Nein. So wollte ich nicht enden.

Zum Glück sah ich in dem Moment eine Erwachsene auf die Museumstoilette verschwinden. Ich verschwand hinterher, ignorierte ihren Ruf nach Privatsphäre und um es kurz zu machen: Das neue Bett war wirklich einwandfrei in Ordnung. Da quietschte nichts, was nicht quietschen sollte.

Die junge Erwachsene habe ich seitdem nicht mehr gesehen, vom Museum halte ich mich aus Höflichkeit die nächsten Wochen fern, da es Hausverbote in Sims 4 nicht gibt aber geben sollte, die Anrufe der jungen Erwachsenen ignoriere ich und ja, OK, natürlich sehe ich sie hin und wieder, vor allem, wenn sie an meiner Tür klingelt, aber jetzt seien wir alle mal nicht zu kleinlich und niemand kann mich zwingen, die Tür zu öffnen, außer natürlich die Polizei, aber SO jung erwachsen war sie dann auch wieder nicht.

Außerdem: Es sind ja jetzt nur noch achtundvierzig.

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