Die Karaoke-Revolution

Musik mochte ich schon immer. Aber beim Singen glänzte ich hier und da eher noch mit der Darbietung und weniger mit der Qualität meiner Stimme. Trotz meiner Faszination für Karaoke ließ ich es daher bleiben. Doch als Singstar 2004 für die Playstation 2 erschienen ist, änderte sich alles. Dieses erste Spiel und seine Nachfolger haben einen Nerv getroffen und Millionen Menschen auf der ganzen Welt begeistert. Vor allem mich. Und meinen Kumpel Robert.

Es gehörten ein paar ganz einfache Kniffe dazu, die eigentlich wenig mit typischen Karaoke zu tun haben. Einerseits beinhaltete Singstar lizenzierte Songs mit den Originalinterpreten. Dazu gab es die Originalvideos, was das Erlebnis auch für alle anderen im Raum interessanter gestaltet hat. Bei der Zusammenstellung haben die lokalen Teams von Sony Playstation sehr gut verstanden, was funktioniert und was nicht. Ein Blick auf die Tracklist zeigt viele zeitlose Klassiker – einige davon waren damals noch sehr modern.

Das Die Toten Hosen in Deutschland auf Singstar so präsent sind und sogar eine eigene Edition bekommen haben, hängt sicher auch mit der Liebe der zuständigen PR-Managerin für die Band zusammen. Es hat dem Erfolg in Deutschland ganz sicher genützt. Außerdem hält sich hartnäckig das Gerücht, dass es Virginia Jetzt (die beste Band der Welt) nur deswegen auf eine Edition geschafft haben, weil ich mich mit eben dieser PR-Managerin so gut verstanden habe. Ob dieser Song für Singstar ebenso nützlich war, kann und möchte ich nicht beurteilen. Ich bin befangen.

Ganz wesentlich für den Erfolg war meiner Meinung nach aber die Tatsache, dass eigentlich immer über die Musik drübergesungen wurde. Das war anders als bei Karaoke Revolution, der Konkurrenz aus Japan von Konami. Im Fall von Singstar gab im Grunde keine Möglichkeit, die Audiospur mit dem Gesang komplett auszublenden, auch wenn eine Einstellung im Menü das suggeriert hat. Dadurch war es eher ein Mitsingen und die eigene Stimme ging im Gesamtwerk unter. Es war sogar einfach summen möglich, falls eine Stelle zu schwierig war, um trotzdem Punkte zu bekommen. Es brachte Singstar den Beinamen „Summstar“ ein. Beides machte Singstar zugänglich für ein breites Publikum, dass eigentlich gar nicht wirklich singen wollte, weil es eigentlich zu schüchtern dafür war.

Warum ausgerechnet das zum Erfolg führte, lässt sich an einem Beispiel leicht erklären: Mein Kumpel Robert hasste Karaoke. Er hat nicht mal unter der Dusche gesungen. Er war bei unseren regelmäßigen Singeabenden nur dabei, weil er die Gesellschaft seiner Freunde mochte. Weil Singstar aber ganz anders funktionierte und es vielleicht auch die gesellige Runde etwas leichter machte, gab er dem Spiel eine Chance. Ein paar Monate später kaufte er sich dann eine Playstation. Und das wirklich hauptsächlich wegen Singstar.

Singstar machte einfach Spaß. Es war intuitiv und bis ins letzte Detail auf Hochglanz poliert wie ein Apple-Produkt.

Mich führte mein Weg von Singstar übrigens später in eine echte Karaoke-Bar – dem berüchtigten Monster Ronson’s Ichiban Karaoke. Heute singe ich dort gern auf der Bühne, aber weiß viel besser um meine Stärken und Schwächen. Es gibt Songs, die sollte ich einfach zum Wohle meines Umfelds nicht versuchen zu singen. Andere klingen fabelhaft. Das Singen hat mir viel Freude und vor allem viel Selbstvertrauen geschenkt. Ich bin immer noch aufgeregt, wenn ich auf einer Bühne stehe, aber es ist besser geworden.

Allerdings wurde Liebe zu Singstar auf eine harte Probe gestellt und am Ende muss ich trotz des Klammerns lernen, loszulassen – ein Thema, dass mich offensichtlich häufiger begleitet. Zum einen nervte es mich zunehmend, dass ich den Gesang nicht ausblenden konnte. Zum anderen stotterte irgendwann der mit der PS3-Version von Singstar eröffnete Singstore. Außerdem führten die Updates häufiger zu Bugs als das sie Probleme lösten. Singstar war seit Ende 2015 ein Problemfall.

All diese Dinge hielten mich nie davon ab, dem Dienst trotzdem die Stange zu halten. Ich habe rund 1100 Songs im Singstore gekauft. Im App-Business würde man mich wohl einen Whale nennen. Ende 2017 legte Sony noch einmal eine neue Edition names Singstar Celebration auf. Neue Songs im Singstore gab es keine. Im Januar 2020 wurden dann die Server abgestellt – das Aus von Online-Community und Singstore.

Geblieben ist die Liebe zu Karaoke und viele schöne Momente.


Singstar erschien im Mai 2004 für die Playstation 2. Es folgten über 70 Editionen weltweit, die sich zusammen mehr als 20 Millionen Mal verkauft haben. In Deutschland erschien sogar Editionen mit Fußballhits und Türkischen Hits. Mit der Veröffentlichung von Singstar auf der PS3 startete Sony eine Online-Community zum Teilen von Darbietungen und einen Singstore zum Kaufen von Songs. Auf der PS4 spielte Singstar keine große Rolle mehr – und das obwohl eine kostenlose Singstar-App mit allen Features und Funktionen gab.

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