Frisst du dich auf!? Nar Shaddaa will be your grave! – Der garstige dreiäugige Mann mit der Waffe hat mich nicht wirklich gefragt, ob ich mich auffresse. Was er wörtlich gesagt hat, verraten die Untertitel nicht, die die Aliensprache gleich ins Englische übersetzen: „You’ll never leave here.“
Es klang auch nicht sehr doll nach „Frisst du dich auf!?“ – aber 1997 war ich es gewohnt, dass die Audiodateien in Videospielen so sehr zu Klump komprimiert waren, dass man kaum ausmachen konnte, was da wohl mal jemand in ein Mikrofon gesprochen haben konnte. Und obwohl die Stimmen der anderen Figuren in Star Wars: Jedi Knight glasklar zu verstehen waren, bewegte ich mich in einer Welt, in der ein digitalisiertes „Frisst du dich auf!?“ exakt so geklungen haben könnte.
Dass ich das überhaupt zu dekodieren versuchen konnte, lag an der Diamond Monster 3D. Meine neue 3D-Beschleunigungskarte ermöglichte es mir endlich, aktuelle AAA-Titel zu spielen und Kyle Katarn und seine Feinde in ihrer ganzen Klobigkeit bestaunen zu können. Was für ein Name für eine Grafikkarte. Diamond Monster 3D. Ein dreifaches Versprechen: Glasklare Grafik! Ein Powerhouse! Dreidimensionalität!! Heute heißen Grafikkarten MSI Radeon RX 6900 XT Gaming X Trio 16G 16GB GDDR6. Welche Dreizehnjährigen sollen denn davon verzückt werden?
Meine Diamond Monster 3D erlaubte mir also, endlich Jedi Knight zu spielen. Und eine der ersten Sachen, mir der ich konfrontiert wurde, war die Frage, ob ich mich auffresse. Ich hatte damals keine Untertitel zugeschaltet und wusste also nicht, dass mir prognostiziert wurde, ich würde Nar Shaddaa nie verlassen. Nach der eindrucksvollen Filmsequenz erschien die Spielgrafik. Wo mich eben noch ein Schauspieler unter einer kinotauglichen Latexmaske in einem professionell ausgeleuchteten Studio bedroht hatte, humpelte die angeblich selbe Figur vor mir weg – durch einen schmucklosen Raum voller grober Polygone Obwohl Cutscene-Kyle ihn verschont hatte, zögerte ich nicht, ihn zu erschießen.
Es war nicht der letzte dreiäugige Unhold, der mir begegnete. Wahlweise in schwarz oder braun gekleidete Vertreter der Spezies „Gran“ lauerten mir überall auf. Sie alle machten sich durch diesen einen Satz bemerkbar: „Frisst du dich auf?“ Alle wollten mir alle sagen, dass ich diesen Ort niemals verlassen würde. Es war eine leere Drohung und am Ende waren sie es selbst, die den Ort nie mehr verließen. Denn sie waren ja alle tot. Blasterschüsse, Raketen, Faustschläge, Stürze auf großer Tiefe: Niemand blieb am Leben. Ich selbst war entsetzt von mir, denn ich konnte mir nicht vorstellen, dass der sympathische Cutscene-Kyle die grausamen Taten von Ingame-Kyle gutheißen würde.
Da fällt mir ein: Es war gar nicht nur dieser eine Satz. Sie hatten noch einen zweiten in petto: „Der Ober muss weg.“ Was hatte das zu bedeuten? Irgendwann bezog ich die Äußerungen auf mich. Ich war offenbar der Ober und musste weg. Deshalb bewarfen mich die Kerle auch in einer Tour mit Thermaldetonatoren.
Ich habe mir kürzlich auf YouTube sämtliche Filmsequenzen von Jedi Knight (PC, 1997) am Stück angesehen. Das hätte ich mal besser gelassen. Ganz so kinoreif war es doch nicht. Aber das hat nichts daran geändert, dass ich jede einzelne Textzeile mitsprechen konnte.
Dieser Artikel ist Teil einer Reihe von Texten zu 30 Spielen aus 30 Jahren.
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