Apokalootse

Liebe Gruppe der anonymen Lootgierigen, mein Name ist ZiB und ich habe ein Problem. Die Gründe liegen tief in meiner Kindheit verwurzelt und selbstverständlich sind meine Eltern schuld. Ohne Konsolen allein vor dem PC fehlte mir jegliche Multiplayer-Sozialisierung, und als die nächste Generation mit WoW das Teilen lernte, war der Zug bei mir längst abgefahren. Ich war es gewohnt, mich alleine durch Rollenspiele zu kämpfen und dabei ohne Nachzudenken alles Ergrabschenswerte bis zur Traglastgrenze einzusacken, so dass der Händler im Dorf mir vertrauter war als die meisten Monster. Ich hatte grundsätzlich zu viel Geld auf dem Konto und zu wenig Platz im Inventar. Mein Mann machte sich bei unserem ersten gemeinsamen Urlaub, den wir selbstverständlich am Laptop Diablo 2 spielend verbrachten, darüber lustig, dass ich wie eine Besessene auf den Boden klicken würde. Ich schäme mich dafür, aber komme nicht davon los. So flüchtete ich mich in die Einsamkeit von Singleplayer-Modi, in denen ich normalerweise niemandem schaden kann. 

Zurzeit spiele ich Project Zomboid – ein Umstand, der im Januar 2022 eigentlich keine extra Erwähnung wert ist. Deshalb erspare ich mir und euch die Erklärung, um was es dabei genau geht. Wichtig ist nur: Man möchte in der Zombie-Apokalypse so lange wie möglich überleben, weil nicht sterben zu wollen eine grundsätzlich ganz gesunde Einstellung ist.

Bei meinem ersten Run, in dem ich nicht nach wenigen Schritten mehrere Zombiezähne im Hals stecken hatte und panisch in den Tod rannte, erkundete ich zunächst aufmerksam meine Nachbarschaft. Die Häuschen waren von überschaubarer Größe und eher spartanisch eingerichtet, aber mein Sammeltrieb wurde direkt geweckt. Ich nahm alle praktischen Dinge mit: Dosenöffner, bissfeste Kleidung, Munition und sämtliche Schusswaffen, derer ich habhaft werden konnte. Schwer beladen schleppte ich mich weiter und errichtete Zwischenlager, um noch mehr Häuser plündern zu können. Dabei spielte es keine Rolle, ob ich etwas bereits in zigfacher Ausführung besaß – denn wer konnte schon wissen, ob und wie schnell sie kaputt gehen konnten. Ja gut, ein Wiki hätte das gewusst. Aber ich hatte den Ehrgeiz, das Spiel selbst zu erforschen, während ich schwitzend zwei vollgepackte Müllbeutel und einen Rucksack hinter mir her schleifte.

Ich investierte also einige Zeit, um mit meinem stetig wachsenden Survival-Vorrat gen Osten zu reisen… bis ich mich dort in einem ausgedehnten Waldgebiet verlief und verreckte. Einfach so. Es war tatsächlich sehr unspektakulär und dadurch recht traurig. Ich sah noch, wie sich mein lebloser Körper erhob, um sich einer Meute Untoter anzuschließen, die ganz offensichtlich andere Prioritäten hatten als das Anhäufen von Dingen. Marie Kondō wäre stolz auf sie.

Was soll’s, noch mal! Ich erstellte einen neuen Charakter und fand mich in einer Startregion wieder, die mir seltsam bekannt vorkam. Ein Blick auf die Karte verriet mir, dass ich hier tatsächlich auch das letzte Mal gewesen war. Wie nett, dass die aufgedeckte Karte für meinen nächsten Spielstand übernommen wurde. Ich begann mich in dem ersten Gebäude umzusehen, stieß aber nur auf vereinzelte Dosensuppen, die ich nicht öffnen konnte, sowie auf im Survival-Business eher zu verschmähende Zahnpasta. Also steuerte ich das nächste Gebäude an. Doch was war das? Die Tür stand offen? Drinnen bot sich mir ein ähnlich trostloses Versorgungsbild wie in meinem Starthaus. Und auch in den nächsten. Langsam realisierte ich, was ich getan hatte. Ich hatte mir selbst alle nützlichen Gegenstände aus diesem Stadtviertel weggelootet, weil in Project Zomboid die Map nicht automatisch nach jedem Tod resettet. Die Dosen, die ich auf Grund ihres Gewichts zurückgelassen hatte, konnte ich ohne Dosenöffner (von denen mein erster Charakter drei gehortet hatte…) nicht aufbekommen. Und alle Schusswaffen der Gegend befanden sich in einem weit entfernten Waldstück im Besitz eines Zombies, der meinen Namen und zwei vollgestopfte Müllbeutel trug. Ach verdammt. Wieso bin ich so gierig?


Das Entwicklerteam von The Indie Stone feilt bereits seit 2011 an Project Zomboid, aber der lange Early Access Aufenthalt des Titels sollte nicht abschrecken. Der Umfang ist beeindruckend, der Überlebenskampf fordernd und man kann sogar gemeinsam auf Zombiejagd gehen.

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