Der Doom-Vertrag

Man kann nie vorsichtig genug sein. Überall lauern Anwälte. Es ist wichtig, sich abzusichern. Meine Eltern mussten beispielsweise vor über zwanzig Jahren einen Vertrag unterschreiben, damit ich im Alter von vierzehn Jahren eine raubkopierte Version von Doom spielen durfte. Klingt absurd? Lasst mich erklären!

Doom ist ein hartes Spiel. Ich weiß noch, wie krassomat detailliert ich damals die Sprites der Gegner fand. Aus heutiger Sicht ist das natürlich lächerlich, aber ich kann doch nichts dafür, dass man in meiner Klasse Wörter wie »krassomat« verwendet hat. Ich weiß nicht, was für die Erwachsenen damals schlimmer war: Der Wortschatz der »heutigen Jugend« oder die zur Schau gestellte Brutalität von Doom. Letztendlich landete aber Doom auf dem Index. »Krassomat« nicht.

Dooms Präsenz auf dem Index sorgte dafür, dass man es im Alter von vierzehn Jahren nicht ohne Weiteres spielen konnte. Die Sache mit dem Internet hatte sich noch nicht durchgesetzt und so war man auf während der Pause herumgereichte Disketten angewiesen.

Eines Tages machte ein krassomates Gerücht die Runde: Es ging um Doom. Jemand besaß es. Jemand spielte es. Selbstverständlich war ich zunächst skeptisch. Ich glaubte grundsätzlich keinem Schulhofsgerücht mehr, schließlich hatte ich in der Grundschule wirklich einen Freund gehabt, dessen Onkel sowohl bei »Nintendo« arbeitete, als auch Bundesligaschiedsrichter UND Michael Zorc war. Ich war vorsichtig. Hatte aber gleichzeitig Glück: Der Doom-Jemand war ein Freund von mir.

Ich stellte ihn zur Rede und tatsächlich: Er besaß Doom. Als Raubkopie. Auf Diskette. Ich besuchte ihn und wir spielten. Stundenlang. Es war fantastisch. Leider musste ich irgendwann nach Hause. Ich fragte meinen Freund, ob er mir das Spiel auf Diskette ziehen könnte, um es zu Hause weiterzuspielen. Er verneinte. Das Spiel war eine Raubkopie, stand auf dem Index und war ab achtzehn. Es gab so viele Ebenen, auf denen wir das Spiel eigentlich gar nicht spielen durften, dass er nicht riskieren wollte, es mir mitzugeben. Es war ihm einfach zu riskant.

Natürlich gab ich mich damit nicht zufrieden. Hartnäckig bestand ich auf die Anfertigung einer Kopie. Eines Tages kam mein Freund dann auf die einzig logische Lösung für unser Problem: Er entwarf einen Vertrag.

In diesem Vertrag stellte er die knallharten Fakten zusammen. Doom war ab achtzehn. Doom war indiziert. Außerdem handelte es sich um eine Raubkopie. Sollte eines Tages die Polizei vor der Tür stehen, um mich wegen einem dieser Umstände festzunehmen, verpflichteten sich meine Eltern vertraglich dazu, ihn deswegen nicht zu belangen und die Schuld einzig und allein selbst zu tragen.

Dieser ausformulierte Vertrag wurde eines Tages tatsächlich meinen Eltern vorgelegt. Wir lieferten noch einige weitere Erklärungen, um ihnen zu zeigen, dass Doom eigentlich gar nicht so schlimm war. Das krassomate an der Situation: Meine Eltern unterschrieben. Mein Vater warf einen Blick auf Dooms Spielgeschehen, zuckte mit den Schultern, ließ ein »Na ja.« erklingen und die Sache hatte sich einfach erledigt. 

Leider besitze ich den Doom-Vertrag nicht mehr. Ich glaube sogar, dass wir nie eine Kopie erhalten haben. Unvorsichtig, ich weiß. Vor allem in der heutigen Zeit. Man kann nie vorsichtig genug sein.


In Doom erschießt man Dämonen, weil diese der Meinung sind, der Mars gehöre ihnen. Tut er aber nicht. Alles Weitere sollte eigentlich jedem bekannt sein. Weil es Doom ist.

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